Das WERK X ist das selbsternannte „Theater am Arsch der Welt“. Seit Herbst 2014 finden dort wieder regelmäßige Theateraufführungen statt. Das WERK X befindet sich an der U6-Station „Tscherttegasse“. Am 13.11.14 fand dort die Premiere von SEELENKALT (DUCHLESS) statt.

Das Theaterstück „Seelenkalt“ wird noch bis Ende Jänner 2015 im WERK X aufgeführt. „Seelenkalt“ ist der Debütroman vom Russen Sergej Minajew und er hält damit dem postsowjetischen Russland den Spiegel vor: Korruption, Alkohol, Drogen, Prostituierte. All das wird sehr wohl überspitzt dargestellt. Aber bevor ich über das Theaterstück schreibe, möchte ich euch noch kurz die Geschichte vom WERK X erzählen.

 

Für alle Ungeduldigen gibt’s hier den Trailer:

 

 

Was ist das WERK X?

 

Nach unzähligen Umbauten und kulturellen Projekten zwischen 1997 und 2008 („Stadt 2000“) werden seit einigen Jahren Kulturprojekte in der ehemaligen „Kabel- und Drahtwerke AG“ realisiert. Im neuen WERK X in der Oswaldgasse 35A finden runden 600 Zuschauer Platz. Der zweite Standort befindet sich am Petersplatz im 1. Bezirk und wird unter dem Namen WERK X-Eldorado geführt. Die beiden Säle dort fassen rund 250 Zuschauer. Der Name „Eldorado“ kommt nicht irgendwoher, sondern er greift auf die Geschichte des Ortes zurück: schon 1873 gab es dort ein Varieté-Theater mit diesem Namen.

 

Das WERK X

WERK X

 

Für die Neugestaltung des Foyers im WERK X (ab Herbst 2014) konnten die beiden Bühnenbildner Thea Hoffmann-Axthelm und Johannes Weckl gewonnen werden. Daraus geworden ist eine begehbare Kunstinstallation. Der Weg zur Bar ist nicht einfach zu bestreiten, denn man muss sehr hohe Holzstufen empor gehen. Das Holz passt sich aber sehr gut als Kontrast zum Beton und Glas an.

 

WERK X Foyer

WERK X Foyer

„Seelenkalt“ – wer, wo, wie?

 

Der Roman von Sergej Minajew wurde im WERK X unter Beisein des Autors selbst aufgeführt und von Ali M. Abdullah inszeniert. Ali M. Abdullah ist seit 2014 künstlerischer Leiter und Geschäftsführer vom WERK X. Das Bühnenbild ist anders. Man sieht drei „Räume“, die von der Vorderseite sichtbar sind und oberhalb drei riesige Screens. Auf der Bühne sind außerdem an vielen Stellen kleine Videokameras auf Stativen befestigt. Die Bilder, die von den Videokameras eingefangen werden, werden auf die Screens projeziert. Oft entsteht hierbei eine direkte Kommunikation mit dem Publikum, weil der Protagonist einen Monolog mit sich selbst führt. Es gibt eine Schauspielerin (Constanze Passin), die alle Frauen des gesamten Stücks spielt. Sie unterscheidet sich von den anderen durch diverse Perücken und kurze Kleider. Die anderen Schauspieler spielen ebenfalls immer verschiedene Rollen. Was ich persönlich toll fand, waren die kurzen live Songeinlagen. Da hat der Protagonist „Alex“ (gespielt von Tim Breyvogel), der immer nur Alex spielt, sich zum Schlagzeug gesetzt, Constanze Passin und Daniel Wagner haben gesungen, manchmal auch Christian Dolezal, der auch gemeinsam mit Imre Lichtenberger Bozoki Gitarre gespielt hat. Doch das verwundert nicht, war doch Christian Dolezal ein ehemaliges Gründungsmitglied der Sofa Surfers.

 

„Seelenkalt“ – das Theaterstück (Achtung Spoiler!)

 

Die Aufführung beginnt mit dem Zitat „Alles ist frei erfunden, die Wirklichkeit ist noch viel schlimmer.“

 

In der Geschichte dreht sich alles um den 29-jährigen Alex, einem Moskauer Finanzdirektor, der im mittleren Management eines französischen Lebensmittelkonzerns arbeitet und den russischen Markt mit überteuerten Gemüsekonserven erobern will. Da wird in der ersten Szene ein neuer Entwurf aus dem Marketing diskutiert, wobei der Mais eher wie Kokain aussieht. Deshalb macht Alex den Grafiker fertig, er solle eine „Zielgruppenalayse darüber machen“, wieso dieser Entwurf den Leuten sehr wohl gefällt und es keineswegs an Kokain erinnert. Dieser weigert sich, denn das „geht doch gegen die Kreativität!“

 

In der nächsten Szene findet man sich in einem Club wieder. Man(n) reißt Frauen auf, trifft Leute und Bekannte und schnupft Kokain auf der Toilette. Plötzlich eine Polizeikontrolle. Alex wird zusammengeschlagen und es ist das ist das erste Mal, dass das Publikum sieht, wie Alex sein Leben revue passieren lässt. Wie konnte es nur so weit gekommen? Was erwartet er vom Leben? Was macht er hier eigentlich? Währenddessen spielen die anderen Schauspieler „Creep“ von Radiohead. Breyvogel läuft ans andere Ende der Bühne und spielt den Song am Schlagzeug zu Ende.

RADIOHEAD – CREEP

„But I’m a creep
I’m a weirdo
What the hell am I doin‘ here?
I don’t belong here.“

 

 

Seelenkalt (c) WERK X

Seelenkalt (c) WERK X

Der Wendepunkt

 

Mischa will einen neuen Club eröffnen und fragt Alex am nächsten Tag ob er sich beteiligen will. Nach einem kurzen Streit (im gesamten Stück wird viel gestritten und diskutiert) einigen sich beide darauf: 50.000 Rubel treibt Alex selbst auf, 50.000 Rubel leiht er sich aus. Am nächsten Tag ruft Alex Jule, eine gute Freundin, an. Mit ihr kann er reden und er „fühlt sich wieder wie 18“. Er küsst sie, aber sie läuft davon. Sie dreht sich kurz um und sagt: „Du musst positiv denken, pass auf dich auf!“ Er erzählt ihr nichts von seinem maßlos geführtem Leben, aber sie ahnt es wohl.

 

Die Besichtigung des Rohbaus des Clubs ist kurz und schmerzlos. Der Besitzer führt die Investoren relativ schnell herum: „Hier ist die Economy, hier die Business und dort die First Class!“, die Wände werden befühlt und als holzverkleidet wahrgenommen.

 PEGGY LEE – FEVER

 

Danach geht man wieder in einen Club, diesmal (?) um zu feiern. Es wird angestoßen, man wünscht sich Glück, Erfolg und Spaß. Dann ist es aber so, dass Vadim doch 100.000 investieren will. Alex solle trotzdem nur 50.000 besteuern. Für Alex geht der Deal trotzdem in Ordnung.

 

Seelenkalt (c) WERK X

Seelenkalt (c) WERK X

 

Am nächsten Tag hat Alex ein Meeting mit allen Verkäufern aus der Provinz. Dort erklärt er ihnen, dass sie „unter Plan“ sind. Nach einigen Drogen- und Sexeskapaden im Büro geht man am Abend wieder in einen Club. Dort findet eine kuriose Bühnenshow mit einer verkleideten Mickey Maus statt. Alex lernt eine Frau kennen, dann wird es ihm aber zu viel. Er sucht Vadim, seinen Kollegen. Er findet ihn auf einer Couch mit einem Mädchen vor und erkennt erst nach einiger Zeit, dass es ein Mann ist.

 

Alex alias Tim Breyvogel verlässt die Bühne, tritt quasi „heraus“ und wendet sich unerwartet an das Publikum. „Alles innerhalb des Wiener Rings ist wie in einem Computerspiel. Die Gestalten sind die Helden und das Ziel? 24 Stunden Spiel. Es geht immer um die drei D’s: Damen, Dollars, Dealer. Es ist wie ein geschlossener Kreis. Der Ausweg ist die Depression. Das ist das vierte D.“

 

Tim Breyvogel tritt wieder zurück ins Theaterstück und Alex erfährt, dass er nach St. Petersburg fahren muss. Dort geht er in ein kleines Philosophencafé wo jeder nacheinander seine Meinung kundtut. Alex traut sich und fragt die anderen wieso sie nicht arbeiten gehen wie jeder normale Mensch? Eine Studentin sagt: „Arbeiten Philosophen denn nicht?“. Einer aus der Gruppe arbeitet in der IT-Branche und „will da einfach nur raus“. Langsam merken die anderen, dass Alex viel Geld besitzt und wird um Geld angeschnorrt. Andere wollen seinen Urin, um diesen wird am Ende sogar gestritten.

 

Alles verändert sich: St. Petersburg

 

Alex besucht am nächsten Tag die Tochterfirma in St. Petersburg und will sich dort „durch die Bücher wühlen“, sprich: die Finanzen überprüfen. Der Vertreter der Großhändler dort will das aber unterbinden. Sie vertagen das Ganze. Am selben Abend trifft sich Alex mit Mischka, einem alten Freund, bei ihm zu Hause. Sie kiffen und philosophieren darüber ob Moskau oder St. Petersburg besser ist. Danach entsteht eine Diskussion über USA und Russland.

 

Seelenkalt

Seelenkalt (c) WERK X

 

Am nächsten Tag treffen sich Alex und der Vertreter der Großhändler im „Café SSR“. Sie kommen auf das „Magnetsyndrom“ zu sprechen: Jeder will sich irgendwie mit Putin in Verbindung bringen: „Der Bekannte eines Freundes, dessen Arbeitskollege kennt Putin, und ich habe ihn auch einmal gesehen und mit ihm gesprochen.“ Am Ende kommt bei dem Gespräch heraus, dass der Vertreter korrupte Geschäfte betreibt. Er will Alex mit 3.000 Rubel dazu bringen, den Mund zu halten: „Ich komm da nicht mehr raus!“. Alex ist das aber zu wenig. „Bin ich ein korrupter Verkehrspolizist, oder was?“ Alex beschließt dann, sein Leben zu ändern und nimmt die 3.000 Rubel nicht an, verrät den korrupten Vertreter aber trotzdem nicht.

 

Zurück in Moskau: die Erkenntnis

 

Am nächsten Tag trifft Alex sich mit Jule wieder in Moskau. Alex führt einen minutenlangen Monolog und fragt Jule wieder und wieder: „Was willst du von mir? Was willst du? Ich bin ein Verräter!“ Sie umarmt ihn einfach nur. Er: „Siehst du nicht, dass ich ein verdammter Looser bin?“ Sie geht. Er heult.

 

Tim Breyvogel nimmt eine Flasche Wodka und fragt ins Publikum, ob jemand Wodka wolle. Eine Frau und ein Mann melden sich freiwillig. Sie stoßen auf Russland an.

 

In der nächsten Szene treffen sich Alex und Vadim vor dem vermeintlich neuen Club. Dann bemerken sie, dass da noch kein Schild ist. „Wir wurden reingelegt!“ Vadim und Alex streiten. Alex geht in den Club und wird von einem Homosexuellen angemacht. Daraufhin fängt Alex eine Schlägerei mit ihm an und läuft nach Hause.

 

Vadim besucht Alex und erzählt ihm, dass er einen Teil seiner Einlage für den Club aus dem Brand Budget der Firma genommen hat.

ABBA – THE WINNER TAKES IT ALL

Constanze Passing singt auf russisch.

 

 

Vadim und Alex streiten.

 

Am Ende erzählt Alex von seinem Traum. Er handelt von Putin. Im Traum war Putin wie ein übergroßer Vogel mit riesigen Flügeln, der immer wieder sagt, Alex solle weniger Haschisch rauchen.

 

Fazit

 

„Seelenkalt“ ist ein satirischer Schlüsselroman der „Generation Putin“ und wurde in Russland bereits zum Kultroman für die Generation der Dreißigjährigen. Es ist eine gnadenlose Abrechnung mit dem modernen Moskau – unbarmherzig, zynisch und hoffnungslos. So ist das Theaterstück und so fühlen sich wohl viele junge Menschen in Russland. Das Theaterstück hat mich zum Nachdenken gebracht, zwischendurch wurde gelacht oder man war schockiert. So muss meiner Meinung nach Theater sein. Es muss dich in seinen Bann ziehen.

 

Seelenkalt (c) WERK X

Seelenkalt (c) WERK X

Informationen

 

„Seelenkalt“ läuft noch bis 31.01.2015.

 

Adresse

WERK X

Oswaldgasse 35A

1120 Wien

www.werk-x.at

Tickets

reservierung@werk-x.at

Tickets für „Seelenkalt“ kosten zwischen € 12 und € 22.

Beteiligte

Inszenierung: Ali M. Abdullah

Idee Bühne: Christoph Ernst

Ausführung Bühne und Kostüme: Renato Uz

Musik: Imre Lichtenberger Bozoki

Video: Patrick Topitschnig

Dramaturgie: Hannah Lioba Egenolf

 

Schauspieler/innen: Constanze Passin, Tim Breyvogel, Dennis Cubic, Christian Dolezal, Daniel Wagner

 

WERK X

WERK X

Für den Ton verantwortlich:

Bernhard Lutz von www.event-complex.com

 

Bernhard Lutz

Bernhard Lutz

 

Wart ihr schon einmal im WERK X? Wie hat es euch dort gefallen?