Am 9. April 2014 lud das Kunsthaus Wien zur Dialogführung mit Andreas H. Bitesnich. Eine Veranstaltung, die ich mir als passionierte Hobbyfotografin nicht entgehen ließ. Rund 300 Interessierte kamen zu dem Ereignis und lauschten den Worten des österreichischen Star-Fotografen, der heuer seinen 50. Geburtstag feiert.


Die Beleuchtung der Räume im Kunsthaus Wien wird vom Beginn bis zum Ende immer heller. Die gesamte Ausstellung ist wie ein „Geburtskanal“ (Zitat Bitesnich) angelegt. Im ersten Raum wird ein kurzes Video gezeigt. Es ist ein outtake des Fernsehwerbespots „Licht für die Welt“.

 

Die Ausstellung erstreckt sich über zwei Stockwerke im Hundertwasserhaus und umfasst die wichtigsten Werke des bisherigen Schaffens von Andreas H. Bitesnich:

 

  • NUDES & MORE – das Aktwerk
  • TRAVEL – die Reisefotografie
  • SITTINGS – die Porträts
  • EROTIC & MORE – die erotische Fotografie
  • DEEPER SHADES – die Street Photography

Wir betreten den ersten Teil der Ausstellung: NUDES & MORE

Bitesnich wollte eigentlich Modefotograf werden. Da die Modeszene in Österreich aber eher bescheiden ist, hat er sich stattdessen zu Beginn seiner Karriere der menschlichen Haut zugewandt. Dieses „gemeinsame Befruchten und die Oberfläche“ löste bei ihm eine große Faszination aus. Zu Beginn hatte er nur ein bescheidenes Fotoequipment. Als ihm ein Freund einen Blitz geschenkt hat, sagte dieser zu ihm: „Wenn du fünf Jahre mit diesem Blitz fotografierst, kannst du es.“ Erst weitere sechs Jahre später hat Bitesnich selbst gemerkt, dass er einem bestimmten Muster folgt.

 

Wenn es in Mailand in den Sommermonaten sehr heiß ist, kommen die Models sehr gerne nach Österreich. So auch geschehen in den Jahren 1993 bis 1996. In dieser Zeit sind die jungen Frauen „Schlange gestanden und wollten unbedingt fotografiert werden.“ Die Prints sind dann lange Zeit in einer Schachtel gelegen, bis er sie eines Tages am Boden aufgelegt und Maxi Kontaktbögen an Verlage geschickt hat. „Ich habe genau nichts von ihnen gehört.“ Doch dann hat sich ein Verleger aus der Schweiz gemeldet. Sechs Monate später war Bitesnich im Central Park Richtung Soho unterwegs und hat dort sein erstes Fotobuch „Nudes“ bei einer Buchhändlerin auf der Straße entdeckt. Kurze Zeit später ging der Schweizer Verlag in Konkurs. Bitesnich hat für den Verkauf seiner Fotobücher nie Geld gesehen. Danach reiste er nach Wien zurück und fiel dort in ein depressives Loch. Diese Zeit kommentierte er mit den Worten „Sei vorsichtig mit deinen Träumen, sie könnten in Erfüllung gehen.“

 

Bitesnich wird oft gefragt, ob er nur schöne und perfekte Menschen fotografiert. Er wollte oft dicke Frauen fotografieren, aber das sei „nicht so einfach, weil sie sich einfach nicht gerne nackt fotografieren lassen. Manche Posen schaffen auch nur schlanke Menschen“, daher tendiere er eher zu schlanken Frauen und Männern.

 

Sein erstes Fotobuch „Nudes“ erschien 1998. Zehn Jahre nachdem er begonnen hatte, zu fotografieren. Für ihn war das ein Meilenstein: „Wenn du ein Fotobuch veröffentlicht hast, hast du es geschafft.“

 

Die zweite Station der Ausstellung: TRAVEL

In diesem Teil seines Schaffens reist Bitesnich für Magazine nach Kambodscha und Indien. In Indien war er insgesamt dreimal für jeweils elf Tage. Danach gab es 450 „1. Wahl-Bilder“. Diese hat er ausgedruckt, gebunden und an Verleger geschickt. Auf die Frage, ob sie das Buch bekommen hätten, antworteten alle, dass die „Situation gerade sehr schwierig“ sei. Ist die ganze Arbeit also umsonst gewesen? Das Buch kam zurück, Bitesnich hat es in eine Lade geworfen und vergessen. Nach einem Jahr hat er es beim zusammenräumen wiederentdeckt und wieder an Verlage geschickt. Es kam wieder zurück und er hat es wieder weggeräumt. Wieder ein Jahr später meldete sich ein Verleger und das Buch „Indien“ wurde 2011 veröffentlicht. Es ist inzwischen das Lieblingsbuch des Verlegers.

 

Die folgenden Räume widmen sich der Kategorie SITTINGS

Hier treffen Prominente aus Kultur und Sport auf Unbekannte, denen der Fotograf auf seinen Reisen begegnet ist. Da gibt es ein Porträt von Hermann Nitsch: Als Bitesnich ihn fotografieren wollte, sagte Nitsch zu Bitesnich: „Ich posiere aber nicht!“ Bitesnich lag am Boden und sagte ihm nur, dass er etwas nach links oben schauen solle. Das genügte.

 

Ein weiteres Bild, das in Erinnerung bleibt, ist jenes von Karl Merkatz. Auf die Frage von Bitesnich, ob er noch irgendetwas benötige, antwortete Merkatz nur: „I mecht ma gerne ane orauchn weil des deaf ma heitzutog eh nima.“ Auf dem Bild sieht man Karl Merkatz‘ Gesicht hinter einer riesigen Rauchwolke verschwinden.

 

Bitesnich fotografierte auch die berühmte Anthropologin Jane Goodall. Er fragte sie einfach, ob sie die Sambikisaru-Figur (nichts hören, nicht sehen, nichts sagen) nachmachen würde. Sie antwortete schlicht: „Ja klar!“

 

Der nächste Raum beschäftigt sich mit EROTIC & MORE

Die Bilder sind laut Kurator Andreas Hirsch nicht erotisch, sondern eher skulptural angelegt. Sie stammen von einer Zeit, in der sich Bitesnich von der bildenden Kunst inspirieren ließ, insbesondere von Egon Schiele. Dabei entdeckte er auch die Polaroids wieder. Einige davon sind sehr groß und unscharf, was bei den Besuchern eine große Faszination auslöst.

 

Ein kleiner Teil des Raums ist seinem Großvater gewidmet. Dieser ist im Geburtsjahr von Bitesnich gestorben. Später fand er einige alte Bilder seines Großvaters aus dem Jahr 1920, auf denen nackte Frauen abgebildet sind. Die Modelle sind nicht in Szene gesetzt, sondern die Bilder wirken eher sehr privat.

 

Zu guter Letzt: DEEPER SHADES

Dieser letzte Teil der Ausstellung widmet sich den Streetfotografien in Tokyo, New York und Paris. Da gibt es ein Bild von Rockabillys in einem Park in Tokyo oder Salvador Dali auf einer riesigen Leinwand in Paris. Es sind Bilder einer Großstadt, die man als Mensch hinter der Kamera nur findet, wenn man genau hinsieht.

 

Am 16. Mai 2014 um 19 Uhr findet wieder eine Dialogführung inkl. Buchsignierstunde mit Andreas H. Bitesnich und Kurator Andreas Hirsch im Kunsthaus Wien statt: „Cities and Travels – Reisefotografie und Street Photography“. Ich kann sie nur jedem ans Herz legen.

 

Links:

https://www.kunsthauswien.com/de/

http://www.bitesnich.com