Noch bis 17.05.15 findet im Wien Museum am Karlsplatz die Ausstellung „Romane Thana – Orte der Roma und Sinti“ statt. Die Igersaustria haben sich am Samstag, den 28.02.15 dort eingefunden und durften an einer Führung teilnehmen. Grund genug euch von der Ausstellung zu berichten!

Ziel der Ausstellung ist es, „gerade über Eigenzeugnisse von Roma und Sinti die Frage von „Normalität“ zu diskutieren, auch Geschichten geglückter Integration und gesellschaftlicher Anerkennung aufzuspüren und darzustellen.“ (Wien Museum). Im Kuratorenteam waren mit dabei: Andrea Härle (Romano Centro), Cornelia Kogoj (Initiative Minderheiten), Werner Michael Schwarz (Wien Museum), Susanne Winkler (Wien Museum) und Michael Weese (Landesmuseum Burgenland).

 

Isabel und Christine vom Wien Museum

Isabel und Christine vom Wien Museum

Stojka

 

Chistine vom Wien Museum hat uns (rund 15 Instagramers unter der Organisation von Wolfgang Breyscha) durch die Ausstellung geführt. Zu Beginn sieht man einen Film aus den 70er Jahren von Harri Stojka, einer der bekanntesten Roma in Österreich. Am 30. Jänner hatte ich das Glück, einem kurzen Konzert beizuwohnen – bei der Kundgebung gegen den Akademikerball am Heldenplatz. Danach folgt ein Videodialog von Gilda und Manuela Horvath (die beiden sind nicht verwandt), die mit dem Video einen künstlerischen Beitrag geleistet haben. Von Beginn an waren Vertreter der Volksgruppe im Ausstellungsteam dabei. Es werden noch weitere Mitglieder der Stojka-Familie in der Ausstellung vorgestellt, beispielsweise hat das Wien Museum 20 Gemälde von Ceija Stojka angekauft, die dort ausgestellt sind. Ein Gemälde von Ceija Stojka zeigt eine Person, die am Boden in einem KZ kauert. Man sieht ganz deutlich die Tätowierung auf der Hand. Vor der Nummer ein „Z“ für „Zigeuner“. Dieses Bild hat mich sehr betroffen gemacht. Ceija Stojka überlebte drei Konzentrationslager und verstarb 2013 in Wien. Ihr Bruder, Mongo Stojka, war der Vater von Harri Stojka. Die Eltern von Mongo Stojka lebten noch in traditioneller Weise mit Pferdewägen. Mongo Stojka war später Teppichhändler, Musiker und Autor in Wien. In seinem Buch „Papierene Kinder. Glück, Zerstörung und Neubeginn einer Roma-Familie in Österreich“ (2000) arbeitet er seine Erlebnisse in den KZ Auschwitz-Birkenau, Buchenwald und Flossenbürg auf.

 

Erinnerungen von Mongo Stojka.

Erinnerungen von Mongo Stojka.

Widersprüche

Der anfängliche rechte und dunklere Teil der Ausstellung übernimmt den historischen Part der Roma und Sinti. Der linke und hellere Teil ist der der Selbstdarstellung. Es geht sehr oft um Fremd- und Selbstdarstellung. 1971 wurde beispielsweise im 1. Welt-Roma-Kongress in Genf beschlossen, dass das Wort „Zigeuner“ nicht mehr benutzt werden soll, die Bezeichnung „Roma“ steht seitdem als Gesamtkategorie für die unterschiedlichen Teilgruppen. Es heißt seitdem, vor allem in Österreich „Roma und Sinti“. Christine hat uns aber erzählt, dass sich Roma und Sinti selbst oft noch immer als Zigeuner bezeichnen. Bei einer Diskussion im Zuge der Ausstellung wurde darüber diskutiert, ob man sich als Roma oder Sinti outen soll oder nicht. Auch hier gingen die Meinungen sehr auseinander. Sehen sich Roma und Sinti als Österreicher/Deutsche/Ungarn/…? „Ja, natürlich!“ sagt Gilda im Anfangsvideo. Es schlagen nicht zwei Herzen in ihrer Brust, sondern es ist nur ein Herz, das beide Kulturen vereinigt. Sie fühlt sich als Roma UND als Österreicherin. Weiters waren viele Roma in Wien als Hausmeister beschäftigt, was das Nomadentum der Roma und Sinti keinesfalls bestätigt.

 

Persönliche Aufarbeitung

Persönliche Aufarbeitung

 

Gegen das Wort "Zigeuner"

Gegen das Wort „Zigeuner“

Definitionen

 

Es gibt verschiedene Teil- und Untergruppen der Roma und Sinti. Die Lovara („Pferdehändler“) sind eine Untergruppe der Roma (die Stojka-Familie zählt zu den Lovara) aus weiten Teilen Europas (Deutschland, Österreich, Skandinavien, Frankreich, Polen und Ungarn). Die „Manouches“ (Romanes für „Mensch“) sind in Frankreich und angrenzenden Ländern lebende Sinti. Die Kalderasch („Kupferschmied“) stammen ursprünglich aus Rumänien und darüber hinaus in ganz Südosteuropa. Sie sind heute die wohl am weitesten verbreitete Untergruppe der Roma.

 

Batthyány

 

Roma und Sinti wurden in Europa immer entweder vertrieben und versklavt oder mit sogenannten „Schutzbriefen“ unter den Schutz des jeweiligen Herrschers gestellt. Je nachdem, ob man sie brauchte (z.B. in Kriegszeiten) oder nicht. Im Jahr 1674 erlaubte Graf Batherny erstmals Martin Sarközi (er war so etwas wie ein Herzog der Zigeuner) und seinen „Anhängern“, sich sesshaft zu machen. Sie durften nicht gekränkt werden, mussten aber auch Steuern zahlen („Es wird hinzugefügt, dass sie alljährlich im Frühling, am Mittwoch der Karwoche, zu unseren Händen jene 25 Taler Steuer und strenger Strafe bezahlen, entweder in Geld oder in einem guten Roß im selben Wert.“).

 

Romantik

 

Den Romafamilien wurden oft ihre Kinder weggenommen und die Mädchen und Buben wurden an christliche Familien weitergegeben. Roma und Sinti wurden oft in Siedlungen außerhalb von Städten sesshaft gemacht. Im 19. Jahrhundert galten sie trotzdem als „die letzten Wilden von Europa“. Ihr angeblich freies Leben, ihre Erotik und Musikalität wurde stark stereotypisiert. Sie führten ein unstetes Leben, hatten nie feste Arbeitszeiten. Sogar Johann Strauss jr. schrieb eine Operette namens „Der Zigeunerbaron“. Ebenso bekannt ist der Disney-Film „Der Glöckner von Notre Dame“, wo auch Esmeralda als Zigeunertochter eine wichtige Rolle spielt.

 

Krieg

 

In der Zwischenkriegszeit gab es 124 Roma- und Sinti-Siedlungen im Burgenland. Es wurde eine sogenannte „Zigeunerkartei“ angelegt. Sie wurden stärker kontrolliert und ihre Fingerabdrücke wurden genommen. Noch heute gibt es Polizeifotos. Die Bewohner wurden in Reih und Glied aufgestellt und fotografiert. In sogenannten „Anhaltelagern“ wurden sie zu Zwangsarbeit gezwungen. Im zweiten Weltkrieg wurde aus dem Anhaltelager Lackenbach ein Konzentationslager. Von dort wurden die Roma und Sinti dann in das „Zigeunerfamilienlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. 1945 fand die Rote Armee noch ca. 300 Überlebende. Einige Überlebende haben ein Buch verscharrt, in dem 21.000 Namen stehen. Dieses Buch gilt als wichtige Quelle für die Nachkommen, wenn sie mehr über ihre Vorfahren erfahren möchten.

 

Aus dieser Zeit stammt auch das Buch von Erich Häckl „Abschied von Sidonie“. Dabei geht es um ein 10-jähriges Roma-Mädchen, das in Steyr von einer sozialistischen Familie aufgenommen, dann von den Nazis wie verrückt gesucht und anschließend in Auschwitz vergast wurde. Die meisten von euch haben es wahrscheinlich während ihrer Schulzeit gelesen.

 

Wien

 

In Wien leben heute in Floridsdorf noch einige Roma – diese waren seit dem 19. Jahrhundert Gutshofbesitzer und sind eng verbunden mit den Lovara. Im 10. Bezirk auf der Hellerwiese versammelten sich im Frühjahr oft bis zu 80 Familien, um dann wieder ihren Arbeiten, z.B. als Pferdehändler, nachzugehen. Man weiß auch, dass im 11. Bezirk einige Roma oft stationiert waren, aber man weiß nicht mehr genau, wo. Leider ging durch die Massenvernichtung im Zweiten Weltkrieg viel Wissen verloren.

 

Nachkriegszeit

 

1980 erhielten die Überlebenden 350 Schilling pro Haftmonat, einige Jahre später 860 Schilling. Erst 1993 wurden Roma und Sinti in Österreich als Volksgruppe anerkannt, eine richtige Entschädigung erhielten sie erst im Jahr 1995. Viele Romni arbeiten im AKH in Wien – auch darum dreht sich eine Geschichte im linken Teil der Ausstellung. Eine Romni spricht in einem kurzen Video darüber, dass sie sich im Krankenhaus nicht geoutet hat – wenn sie jemand fragt, in welcher Sprache sie gerade mit ihren Kolleginnen gesprochen hat, antwortet sie, es sei albanisch gewesen.

 

Am 4. Februar 1995 passierte das Bombenattentat in Oberwart, bei dem vier Roma, Peter Sarközi, Josef Simon sowie Karl und Erwin Horvath, getötet wurden. Die Rohrbombe war an einem Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ angebracht. Beim Versuch, dieses Schild zu entfernen, explodierte der Sprengsatz. Verantwortlich für die Tat war der Briefbombenbauer Franz Fuchs.

 

Das Straßenschild in Oberwart wo die Rohrbombe angebracht war.

Das Straßenschild in Oberwart wo die Rohrbombe angebracht war.

Identitäten

 

Im dritten Raum gibt es eine Installation, die sogar für einen Kunstpreis nominiert ist. Dabei sieht man auf einigen Screens verschiedene Videos und Filmbeiträge von Roma. Oberhalb sieht man Bilder von Social Media Kanälen von Roma und Sinti. Mit dabei: Charlie Chaplin, Sido oder Elvis Presley.

 

Kunstinstallation

Kunstinstallation

Resumée

 

Ich bin sehr geschichtsinteressiert, deshalb hat mich diese Ausstellung überaus beeindruckt. Es ist keine einseitige Darstellung über irgendwelche Fakten, sondern man erfährt viel Persönliches von betroffenen Familien oder Überlebenden des Zweiten Weltkriegs.

 

Ich hoffe, ich konnte euch die Ausstellung schmackhaft machen. Sie ist wirklich einen Besuch wert.

 

Wien Museum

12.2.-17.05.15

Erwachsene: € 8,-

Studenten: € 6,-

Führungen: € 3,-[/fusion_builder_column][/fusion_builder_row][/fusion_builder_container]